Aphasie

Definition

Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung, die durch eine Schädigung des Gehirns hervorgerufen wird. Alle Bereiche und Modalitäten der Sprache können in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigt sein. Die Lautstruktur, der Wortschatz, die Bedeutung und der Satzbau. Sowohl im Bereich des Sprachverständnisses als auch die Sprachproduktion. Es können das Sprechen, das Verstehen der Lautsprache oder auch das Lesen und Verstehen geschriebener Sprache betroffen sein.

Folgen

Die Betroffenen und ihre Angehörigen müssen sich mit einer veränderten Kommunikationssituation auseinander setzen. Die Art zu kommunizieren muss neu geordnet und gelernt werden – für die Betroffenen und für das Umfeld (vgl. Beukelmann et al. 2007). Als Folge empfinden sich Betroffene häufig weniger wirksam, begeben sich weniger in kommunikative Situationen und vermitteln Inhalte nicht wie gewollt. Eine Abhängigkeit vom Gegenüber wird beschrieben. Der Gesprächspartner/die Gesprächspartnerin muss Signale erkennen und diese richtig interpretieren. Isolation und Depression können mögliche Folgen sein (vgl. Hilari 200; Cruice et al. 2010).

Diagnostik

Zu Beginn der Therapie steht eine Evaluation der Kommunikationsfähigkeiten und sprachlichen Ressourcen und Barrieren an. Dabei scheint eine Kombination aus diversen Verfahren zur Untersuchung der tatsächlichen Kommunikationsfähigkeit aktuell die optimale Vorgehensweise:

  • Kombination aus indirekten Verfahren zur Selbst- und Fremdeinschätzung und direkten Verfahren zur Untersuchung der tatsächlichen Kommunikationsfähigkeit
  • Erfassen von Tagesablauf, Interessen und Aktivitäten, der Kommunikationsanlässe und -partner/-in
  • Evaluation der sprachlichen Fähigkeiten bezogen auf die Modalitäten: Verstehen, Schreiben, Lesen, Sprechen
  • Bestimmen von Zielen gemeinsam mit dem Patienten/der Patientin und Angehörigen
  • transparente und nachvollziehbare Dokumentation der Interventionen 
  • Auswahl von Methoden und Materialien

Anbei eine Checkliste zur Einschätzung der kommunikativen Fähigkeiten bei Aphasie in Bezug auf UK (Original von Garrett, K. und Jasker, L. (2005) - deutsche Üebrsetzung durch Hennig, B. (2016) - vielen Dank zur Bereitstellung): garrett-und-lasker-checkliste-aphasie-und-uk-dt-us-2016-mit-vorwort-2018.pdf

Therapie

Ein Wiedererlangen der Kommunikationsfähigkeit kann durch vielerlei Wege geschehen. Dabei sollten sämtliche Möglichkeiten berücksichtigt werden, die dem/der Betroffenen einen Zugang ermöglichen können:

  • Blicke, Mimik, Gestik, Gebärden
  • Laute, Lautsprache, Schriftsprache
  • nicht-elektronische und/oder elektronische Hilfen

Im Fokus steht die Schaffung eines möglichst umfassenden multimodalen Kommunikationssystems, um dem/der Betroffenen Teilhabe am täglichen Leben und Einfluss auf die Umwelt zu ermöglichen.

Die Therapie muss differenziert, fachlich fundiert und individuell sein. Dabei müssen motorische, kognitive, linguistische und soziale Fähigkeiten beachtet werden.

In der Therapie können Methoden zum Einsatz kommen, die auf folgende Aspekte abzielen:

  • Reaktivierung der sprachlichen Leistungen
  • Hemmung von Mechanismen, die die Kommunikation einschränken
  • Kompensation (bzw. Adaption) von sprachlichen Leistungen, um eine Kommunikation zu ermöglichen
  • spezifisches Üben

Dies kann durch sprachsystematische Therapie erfolgen. Sie orientiert sich an den Symptomen und ihr Augenmerk liegt auf der Reorganisation der sprachlichen Strukturen, um damit die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern

Auch der Einsatz von Methoden der UK ist angezeigt. Bisher werden UK-Strategien häufig als letzte Möglichkeit angesehen und erst spät eingesetzt. Oft wird nicht erkannt, welchen Beitrag schon niederschwellige UK-Hilfen für die kommunikativen Fähigkeiten leisten können. UK kann die symptomorientierte Therapie unterstützen und Sprachkompetenzen wiederaufbauen helfen. Sie kann aber auch als Kompensation dienen, indem sie die Lautsprache unterstützt/ggf. ersetzt, die grundlegende Alltagskommunikation sichert und eine effiziente Kommunikation ermöglicht.

Intentionen zum Einsatz von UK

  • Initiierung von Gesprächen
  • das Thema eingrenzen
  • Sicherung von Sachverhalten
  • Steuerung von Situationen
  • Verständnis sichern
  • Gestalten von Aktivtäten und Teilhabe

Häufig besteht der Wunsch nach vollständiger funktioneller Wiederherstellung. Dies muss in Gesprächen erörtert und relativiert werden. Teilweise ist eine eingeschränkte Akzeptanz externer (elektronischer) Kommunikationshilfen zu sehen. Dies liegt teilweise in der Meinung begründet, dass das Benutzen von UK-Hilfsmitteln die Wiederherstellung des „normalen Sprechens“ verhindere (Hux 2001).

Erfolgreicher Einsatz von UK

Egal für welche Art der UK die Entscheidung fällt - damit Alternativen zur Kommunikation eingesetzt und angenommen werden, müssen einige Punkte beachtet werden:

Gemeinsame Auswahl der „Hilfe“ mit Betroffenen und Umfeld

Ist der/die Betroffene bei der Auswahl der „Hilfe“ aktiv beteiligt, ist die Akzeptanz der alternativen Kommunikationsstrategie gegeben. Die Unterstützung der Angehörigen ist wichtig, um den Betroffenen/die Betroffene zu stärken. Häufig begeben sich Menschen mit Aphasie in eine „Antworter-Rolle“, d.h. sie interagieren nur noch, wenn sie angesprochen werden. Ein/e geschulte/r Kommunikationspartner/-in stellt das Maß für eine erfolgreiche Kommunikation dar.

„Handlichkeit“ der Hilfe

Das betrifft sowohl den Inhalt als auch die Bedienbarkeit der Hilfe. Aufbau des Vokabulars, Auffindbarkeit von Items, intuitive Bedienbarkeit, Foto und Videofunktion, Sprachausgabe bzw. Audiobotschaften, Aussehen und Abmessung sind einige Aspekte, die hier eine Rolle spielen.

Individualisierung von UK-Hilfsmitteln

Die speziellen Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten müssen berücksichtigt und die sprachlichen Ressourcen und die kommunikativen Stärken beachtet werden. Es reicht nicht aus, die Betroffenen mit einem Hilfsmittel zu versorgen. Erst die Auseinandersetzung damit und die Erarbeitung führen zum Erfolg. Es muss immer therapeutisch begleitet werden. Dabei müssen die Kommunikationshilfen zusammen mit dem/der Betroffenen und/oder seinen/ihren Angehörigen personalisiert und aktualisiert werden. Dies ist ein ständiger Prozess und orientiert sich an den aktuellen Gegebenheiten. Die Relevanz und die Aktualität der Inhalte sind maßgeblich für den/die Betroffenen, um das ausdrücken zu können, was ihn beschäftigt.

Training der Pragmatik

Um die Kommunikation und damit die Aktivitäten und Teilhabe zu stärken, muss Bestandteil der Therapie das Training der Pragmatik sein. Durch Rollenspiele, wechselnde Gesprächspartner und in vivo-Training sollen die erlernten Fähigkeiten generalisiert und das Vertrauen in die eigene Kommunikation gestärkt werden.

Flexibler Wechsel

Ebenso sollte das Augenmerk auf dem flexiblen Gebrauch von Kommunikationsstrategien (alles ist erlaubt) liegen: Der/die Betroffene sollte zwischen den Strategien flexibel wechseln können, abhängig davon, was ihn/sie am schnellsten bzw. am effektivsten zum Ziel bringt.

Berücksichtigung von Fortschritten

Ändern sich die kommunikativen Fähigkeiten, muss die Art und Weise der Unterstützung evtl. angepasst werden.

Exemplarische Hilfen zum Einsatz bei Aphasie:

  • Instruktionsseite für die Kommunikationspartner
  • Symbolsoftware: Erstellung von individuellem Übungsmaterial, Visualisierungshilfen, Kommunikations-Tafeln und Kommunikationsbüchern
  • Kommunikationsbücher (selbsterstellt): mit Symbolen, Fotos, Situationen, Wörter, Phrasen, zur schnellen Kommunikation. Mögliche Inhalte: Einstiegskarten/Themenübersicht, wichtige persönliche Begebenheiten, Social-Talk, Informationen über aktuelle Situationen, soziale Kontakte, biographische Daten
  • Kommunikationsbücher (fertig, käuflich erwerbbar, bzw. verordnungsfähig):
  • ZAK: https://www.rehavista.de/shop/produkte/kommunizieren/kommunikationsbucher/zak-kommunikationsbucher
  • FLIP: https://www.ukcouch.de/shop/flip-kommunikationsb%C3%BCcher/
  • Talking mats: Eingrenzung eines Themas, Zuordnung, Initiierung von Gesprächen, Bewertung/Hierarchiebildung (ja, nein, vielleicht; immer, manchmal, nie, …)
  • statische Kommunikationshilfe: Übungssequenzen, phrasenbasierte Oberflächen, themenspezifische Oberfläche. Mögliche Inhalte: Einstiegskarten/Themenübersicht, wichtige persönliche Begebenheiten, Social-Talk, Informationen über aktuelle Situationen, soziale Kontakte, biographische Daten
  • elektronische Kommunikationshilfe: Foto, Video, Vorlesefunktion von Texten, Szenenbilder, Eigenübungsprogramme, Kommunikationssoftware (symbolbasiert, schriftbasiert …)

Apps für Eigenübungen:

Conversation Therapy

  • ein Bild wird angezeigt, zu dem bis zu zehn Fragen beantwortet werden müssen
  • beschreiben, definieren, erinnern, entscheiden, fühlen, folgern, voraussagen, erzählen, einschätzen, Ideen sammeln
  • Fragen bei den einzelnen Bildern können geändert werden, eigene Bilder können nicht eingefügt werden
  • Achtung: in den Einstellungen die Sprache auf Deutsch ändern

Language Therapy

  • Paket aus vier Bereichen (auch einzeln verfügbar)
  • in jedem Bereich können eigene Materialien erstellt und verwendet werden, z.B. eigene Bilder und/oder eigene Begriffe
  • Auswertung kann per Mail zugeschickt werden

Comprehension Therapy

  • Hören
    Hier wird ein gehörter Begriff einem Bild zugeordnet. Als Hinweis kann geschriebener Text angezeigt werden.
  • Lesen
    Hier muss ein Text einem Bild zugeordnet werden. Als Hinweis kann der aufgenommene Ton abgespielt werden.
  • Hören & Lesen
    Hier wird ein Audio abgespielt und muss einem Text zugeordnet werden. Als Hinweis kann das zugehörige Bild angezeigt werden.

Naming Therapy

  • Begriffsbenennungsübung
    Begriffe müssen benannt werden. Hinweise können verwendet werden: Anfangsbuchstabe des Wortes zeigen, Beschreibung des Begriffes, Lückentext hören
  • Beschreibung
    Ein Bild wird angezeigt und der Nutzer muss Fragen zu phonemischen und semantischen Eigenschaften des Objekts beantworten:
    - in welche Kategorie gehört das Objekt?
    - mit welchem Laut beginnt das Wort?
    - welche Farbe hat das Objekt?
    - wie groß ist es?
    - womit reimt sich das Wort? …
  • Begriffsbenennungstest
    Das Bild wird gezeigt und der/die Nutzer/-in muss den Begriff nennen.
  • Lernkarten
    Bilder werden angezeigt und der/die Nutzer/-in kann sich Begriffe anhören und sich das geschriebene Wort dazu anzeigen lassen.

Reading Therapy

  • Ausdruckszuordnung
    Der geschriebene Text muss einem Bild zugeordnet werden. Vier Aussagen stehen zur Auswahl, die Richtige muss angeklickt werden.
  • Ausdrucksergänzung
    Ausdrücke müssen ergänzt werden, z.B. „schwarz auf _____“ (weiß) oder „auf deiner _____“ (Seite). Wiederum stehen vier Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung.
  • Satzzuordnung
    Aus vier Sätzen muss der gefunden werden, der das Bild richtig beschreibt.
  • Satzergänzung
    Ein Satz wird gezeigt und aus vier Wörtern muss das gefunden werden, was in die Lücke passt.

Writing Therapy

  • Lücken füllen
    Ein Wort wird angezeigt, bei dem ein Buchstabe fehlt. Aus vier Buchstaben muss der Richtige gefunden werden, der in die Lücke passt. Den Begriff kann man sich durch einen Klick auf das Bild anhören.
  • Kopieren
    Das Bild und das Wort werden angezeigt und der Nutzer muss das Wort mit den gegebenen Buchstaben dann nachschreiben.
  • Buchstabieren Sie das, was Sie sehen
  • Das Bild wird angezeigt (den Begriff kann man sich mit einem Klick auf das Bild anhören) und das Wort muss geschrieben werden.
  • Buchstabieren Sie das, was Sie hören
    Der Begriff wird genannt und muss anschließend geschrieben werden – ein Bild zur Hilfe gibt es in dieser Übung nicht.

Neolexon

  • das zur Verfügung gestellte Wörterset kann in vier Übungen trainiert werden: Verstehen, Sprechen, Lesen und Schreiben. Die Schwierigkeit der Übung wird von Therapeuten/Theraputinnen eingestellt.
  • jedes Wort kann im Video angehört werden und die App gibt klare Rückmeldung, ob die Aufgabe richtig oder falsch gelöst wurde.

Bitsboard Pro

Der große Vorteil der App liegt darin, dass man mit einmal erstellten Tafeln viele verschiedene Übungen machen kann, wie zum Beispiel:

  • Begriffe hören und nachsprechen
  • Begriffe lernen und verstehen
  • Vokabeln lernen und trainieren
  • Lesen lernen und üben
  • Schreiben lernen und üben
  • Zuordnungsübungen

Speechcare

  • Wort zu Bild zuordnen
  • Bild zu Wort zuordnen
  • Fehler finden auf Wortebene
  • Lückenwort aus Auswahl ergänzen
  • Buchstaben sortieren auf Wortebene
  • Satz zu Bild zuordnen
  • Lückensatz aus Auswahl ergänzen
  • Wörter sortieren auf Satzebene
  • Präpositionen zuordnen
  • Artikel zuordnen

Aphasie-Übungsbuch (iBookStore)

Semantik

  • Hyperonyme, Homonyme, Synonyme
  • Bildsemantik, Kausalität und Kontext
  • Komposita, Relationen

Farben

  • Farb-Auswahl: je nach Schwierigkeitsgrad werden zwei oder vier Farben gezeigt. Die Aufgabe besteht darin, die genannte Farbe zu wählen.
  • Bild-Auswahl: auch hier werden entweder zwei oder vier Bilder gezeigt, aus denen das passende ausgewählt werden soll.
  • Zuordnungen: zu einzelnen Ausschnitten eines Bildes sollen Farb-Wörter zugeordnet werden. Das geschieht durch Ziehen des Wortes an die richtige Stelle.

Uhrzeiten

  • Auswahlaufgaben, bei denen zu einer Zeitangabe ein passendes Uhrensymbol gewählt werden soll
  • Zuordnungsaufgaben, bei denen Zeitangaben mit Uhrensymbolen verknüpft werden sollen 
  • Satzergänzungen, bei denen zu idiomatischen Wendungen ein passendes Wort ergänzt werden soll

Hilfreiche Apps:

  • SnapScene: Software zum Erstellen von Szenebildern. Diese können vertont werden. Zusätzlich kann das Schriftbild dazu animiert werden.
  • Pictello: zum Erstellen von sprechenden Fotobüchern, Ich-Bücher, …
  • Book Creator: ermöglicht das Erstellen von multimedialen E-Books im epub-Format. Bilder, Video und Text können aufgenommen oder integriert und mithilfe vieler Formatierungsmöglichkeiten angepasst und gestaltet werden. Über die integrierte Tonaufnahmefunktion kann begleitend eine Geschichte vorgelesen werden.
  • GoTalkNow: Software zum Erstellen von Rasterseiten und/oder Szenenseiten in die sich Symbole, Bilder, Video, Schrift einbinden lassen

Komplexe Software zur Kommunikation:

(teilweise als App, teilweise als Software für spezielle Hardwaregeräte):