Alphabet- und Kommunikationstafeln

Dieser Beitrag wurde von Frau Dipl.-Päd. Birgit Hennig verfasst - vielen Dank!

Alphabet- und Kommunikationstafeln (schriftbasiert) 

Alphabet- und Kommunikationstafeln sind – ebenso wie die Fragestrategien und die Themenlisten- eine hilfreiche Unterstützung in vielen Situationen, in denen elektronische Hilfen unpraktisch oder nicht verfügbar sind. Wenn Sie zum Beispiel mit einem Computer mit Augensteuerung arbeiten, muss das Gerät gut positioniert sein, so dass Sie es nutzen können. Das heißt Sie sitzen mit einem Standgerät am Tisch oder das Gerät ist am Rollstuhl befestigt oder es gibt eine Installation, wenn Sie Zeit im Bett verbringen.

Was aber machen Sie im Badezimmer, auf der Toilette, morgens im Bett vor dem Aufstehen oder unterwegs, wenn die Kommunikationshilfe NICHT verfügbar ist? Oder – was auch vorkommt – wenn die Technik streikt oder der Akku nicht aufgeladen ist? Es kann sehr frustrierend sein, wenn ein kleines Detail für das Wohlbefinden der unterstützt kommunizierenden Person und ihre Sicherheit wichtig ist und sie in dem Moment keine genaue Anweisung geben kann. Auch für den sprechenden Kommunikationspartner ist es nicht einfach, wenn er oder sie die Dringlichkeit eines Anliegens wahrnimmt, aber nicht effektiv helfen kann. Manchmal entstehen aus der Fehlinterpretation solcher Situationen und den aufreibenden „Ratespielen“ Konflikte, die zu einer unnötigen zusätzlichen Belastung im Alltag werden können.

Alphabet- und Kommunikationstafeln sind in diesen Situationen eine gute Unterstützung. Sie sind handlich, man kann sie überall mit hinnehmen, sie kosten nicht viel, sie sind laminiert relativ beständig, sie lassen sich bei Verlust schnell ersetzen.

Alphabet-Tafeln mit Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen gibt es in unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlicher Anordnung der Zeichen.

Auf einer Kommunikationstafel gibt es neben dem Alphabet auch Felder mit ganzen Sätzen und häufig verwendeten Phrasen.

Besonders wichtig ist interaktionssteuerndes Vokabular, wie zum Beispiel: „neues Wort“, „ich meine etwas anderes“, „ich möchte das Thema wechseln“ oder „Lass uns zu einem späteren Zeitpunkt weiterreden“.

Bei Tafeln im Modus des Zeigens oder über Laserpointer sind auch häufig verwendete Wörter und Satzbausteine sinnvoll („Ich“, „möchte“, „wann?“, Schmerzen“, Absaugen“, „linke Hand lagern“), sowie schnelle Kommentare (Danke! Super! Blöd! Tschüß!)

Felder mit Themenstartern helfen der unterstützt kommunizierenden Person, dem Partner zu Beginn des Gesprächs einen Hinweis auf das Anliegen zu geben („Ich brauche etwas“, „Du kannst etwas für mich tun“, „Ich möchte was erzählen“, „Ich möchte was fragen“, „es geht um eine Information oder einen Termin“). Alternativ können beim Partnerscanning diese Kategorien zu Beginn des Gesprächs vom sprechenden Kommunikationspartner zur Eingrenzung des Anliegens kurz abgefragt werden.

Solche Bausteine erhöhen das Tempo in einem Gespräch in Ergänzung und zum Vergleich mit dem Zusammensetzen von Sätzen aus Einzelbuchstaben erheblich.

Weitere Varianten einer Kommunikationstafel sind Kommunikationsbücher oder Übersichten mit Fotos und Piktogrammen. Das kann hilfreich sein für die Kommunikation mit Kindern, die noch nicht lesen können. Es kann auch erforderlich sein, wenn zusätzlich zur neuromuskulären Erkrankung ggf. eine Beeinträchtigung der Lesefähigkeit vorliegt (z.B. durch eine Einschränkung des Sehens oder der Kognition).

Die Anordnung der Felder auf einer Alphabet- oder Kommunikationstafel ist abhängig vom Einsatz der Tafel. Man unterscheidet zwischen direkten Möglichkeiten der Auswahl von Feldern (z.B. durch Zeigen mit dem Finger oder mit einem Laserpointer und indirekten Methoden der Selektion (z.B. im Partnerscanning über Abfragen oder Zeigeblick). Für alle Strategien finden Sie nachfolgend weitere Ausführungen und Beispiele.

Der Einsatz einer Alphabet- und Kommunikationstafeln erfordert immer einen geduldigen Kommunikationspartner in unmittelbarer Nähe, der die gezeigten Einzelbausteine zu einer Mitteilung zusammenfügt, diese ggf. aufschreibt und sich eine Rückversicherung bei der unterstützt kommunizierenden Person zur Interpretation der Aussagen im Gesprächsverlauf einholt. Dieser Prozess wird in der Fachsprache als „Ko-Konstruktion von Mitteilungen“ bezeichnet (Braun 2015).

Beispiele für unterschiedliche Tafeln und Modi der Ansteuerung mit Anleitung finden Sie unter „Materialien zum Download“ auf der Seite www.uk-im-blick.de

Spezielle Strategien und Tipps für die Effektivität der Kommunikation mit Alphabet-Tafeln 

Direkte Auswahl von Feldern auf einer Alphabet- oder Kommunikationstafel durch Zeigen 

Wenn Bewegungen der Finger und der Hände in einem kleinen Radius noch möglich sind, so kann die Person direkt auf die einzelnen Buchstaben der Tafel zeigen (Vorlage ggf. verkleinern). Wichtig ist hierbei eine gute Auflagefläche des Armes und der Hand auf dem Tisch/ Rollstuhlablagetisch oder alternativ eine Führung mit Hilfe von Armschienen (z.B. „Ergorest“ oder „Armon Edero“).

Alphabet-Ergänzungs-Technik 

Bei der Alphabet-Ergänzungs-Technik zeigt die Person mit der neuromuskulären Erkrankung begleitend zum Sprechen auf den Anfangsbuchstaben wichtiger Schlüsselwörter und erleichtert somit dem Zuhörer das Folgen und Verstehen. Diese Strategie kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn die Person ihre Gedanken noch in Lautsprache formulieren und aussprechen kann, aber die Aussprache sehr undeutlich für vertraute und vor allem weniger vertraute Personen geworden ist. Ein Beispiel dieser Strategie finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=PGKbs9JCAWY

Indirekte Auswahl von Feldern mit der Methode des Partnerscanning 

Ist die Person mit einer anderen neuromuskulären Erkrankung tagesformabhängig oder dauerhaft nicht (mehr) in der Lage, selbst zu zeigen, so kann eine Buchstabentafel im Modus des Partnerscannings angewendet werden. Hier ist lediglich ein vereinbartes Zeichen der Person mit einer neuromuskulären Erkrankung erforderlich. Die sprechende Person fragt Zeile für Zeile und Spalte für Spalte das Alphabet oder ausgewählte Phrasen ab und die betroffene Person bestätigt die Auswahl.

Nützliche Hinweise:

  • Ein Zeichen für Bestätigung ist ausreichend und es spart Kräfte, auf eine Verneinung aller anderen Items zu verzichten.
  •  Es ist hilfreich, wenn der sprechende Kommunikationspartner laut mitspricht oder mitschreibt. Fassen Sie zwischendurch zusammenfassen, um den „roten Faden“ des Gesprächs zu halten.
  • Es gibt unterschiedliche Strategien der Nutzer je nach Situation und Vertrautheit der Partner. Es ist möglich im ganzen Satz zu schreiben (zeitaufwendig) oder beispielsweise das Thema zu setzen und dem Partner dann Stichpunkte als Hinweis zu geben (muss ggf. eingeübt werden).
  • Für eine effektive Geschwindigkeit des Partnerscannings spielt die Anordnung der Buchstaben eine wichtige Rolle. Am schnellsten geht das Buchstabieren mit Tafeln, bei denen die Buchstaben nach Häufigkeit im deutschen Alphabet geordnet sind. Am Einfachsten für das Umfeld sind Tafeln nach Alphabetordnung.
  • Bitte holen Sie sich als sprechender Kommunikationspartner immer eine Rückversicherung, ob eine Ergänzung und Vervollständigung eines begonnenen Satzteiles erwünscht ist, wenn Sie meinen zu wissen, was der Inhalt der Mitteilung ist. Wenn Sie die Person und bestimmte, wiederkehrende Anliegen und Wünsche in Alltagssituationen gut kennen, so kann die Strategie des Vervollständigens im Sinne einer menschlichen Wort- und Satzvorhersage die Kommunikationsgeschwindigkeit erhöhen (vgl. auch systematische Fragestrategien und Fragestrukturbäume). Es kann auch ein körpersprachliches Zeichen als Aufforderung zum Vervollständigen vereinbart werden. Oder ein zusätzliches Feld auf der Kommunikationstafel mit dieser Aufforderung versehen werden.
  • Üben Sie sich aber in Geduld und Respekt, wenn die Person lieber selbst ausreden bzw. zu Ende buchstabieren möchte. Auch unterstützt kommunizierende Personen mögen es nicht, wenn man Ihnen ständig ins Wort fällt! Und vielleicht Sie sind ja auch auf der falschen Fährte.

Auf folgender Seite finden Sie ein Beispielvideo und eine ausführliche Anleitung zum Partnerscanning in Deutsch:

http://www.tettricks.de/hilfsmittel/buchstabentafel/index.php

Hier jeweils ein Beispiel für Partnerscanning in Englisch mit motorisch schwer betroffenen unterstützt Kommunizierenden:

https://www.youtube.com/watch?v=i4Ypqpj_t1E 

https://www.youtube.com/watch?time_continue=3&v=hcOr8xROo1U 

https://www.youtube.com/watch?v=pLb6-Oi3uR0 

Direkte Auswahl von Feldern auf einer Alphabet- oder Kommunikationstafel durch den Blick 

Bei einer Tafel zum Blickscanning sind die Felder i.d.R. blockweise angeordnet. Die Person wählt das gewünschte Feld über 6 Blickrichtungen aus. Ein Buchstabe wird kodiert, in dem die unterstützt kommunizierende Person mit der ersten Blickrichtung das Feld anweist (z.B. links oben) und mit der zweiten Blickrichtung die Positionierung des Buchstabens innerhalb des Feldes. Geübte Partner lernen diese Strategie auswendig. Wenig geübte Partner verwenden entweder eine große Tafel aus Plexiglas oder eine beidseitig, spiegelverkehrt gedruckte Tafel. Ggf. ist auch eine Kombination aus Blickrichtung und Abfrage effektiv.

Beispiele im Video für solche und ähnliche Strategien finden Sie auf folgender Webseite in Englisch: http://amyandpals.com/communication-solutions-gallery#lowtech

Ein tolles Beispiel für die Möglichkeiten des Alphabetscanning über den Blick findet sich auch auf der Webseite von Jason Becker: http://www.jasonbecker.com/eye_communication.html

Schrittweises Blickscanning ist auch mit Themen und Kategorien möglich. Ein Videobeispiel in Englisch finden Sie hier: https://vimeo.com/25812980

Eine Druckvorlage in Deutsch mit Anleitung finden Sie hier: https://www.kommhelp.de/index.php/hilfsmittel-top/symboltafeln/kommunikationstafeln/191-speakbook

Direkte Auswahl von Feldern auf einer Alphabet- oder Kommunikationstafel mit Hilfe eines Laserpointers 

Eine weitere Möglichkeit des Zeigens auf einer Alphabet-Tafel ist die Verwendung eines Laserpointers, der beispielsweise an der Hand, am Kopf oder an der Lesebrille befestigt werden kann. Die Kommunikationstafel sollte dann vom Kommunikationspartner in entsprechender Größe, Höhe und Ausrichtung positioniert werden. Laserpointer gehören in Kombination mit einer Alphabet- oder Kommunikationstafel zur sog. „Low-Tech-Strategie“.

Ein sehr schön und kleinschrittig erklärtes Beispiel zur Strategie des Laserpointings findet man hier: https://www.youtube.com/watch?v=AooDQOzdOyE

Oder Laserpointing mit verbleibender Handfunktion hier: https://www.youtube.com/watch?v=Yslp78qIKow

Achtung: bitte unbedingt auf die Sicherheitshinweise bei der Auswahl und der Verwendung von handelsüblichen Laserpointern achten! (Hinweise dazu zum Beispiel hier: http://store.lowtechsolutions.org/are-laser-pointers-safe/

oder hier: http://www.vis.bayern.de/produktsicherheit/produktgruppen/haushaltswaren/laserpointer.htm 

Empfohlene sog. „safe Laserpointer“ für UK mit Hand- oder Brillenbefestigung sind HIER erhältlich (auf Antrag ggf. auch von Hilfsmittelanbietern übernommen, allerdings in Deutschland bislang nur wenig verbreitet): http://store.lowtechsolutions.org

Wer über das technische Know-How verfügt, kann sich einen Laserpointer kostengünstig auch selbst basteln (lassen). Informationen dafür findet man hier:

http://www.kommhelp.de/index.php/hilfsmittel-top/hilfsmittel-selbs-top/164-laserpointer